Hhm … Jetzt hab ich erst mal überlegt, ob ich hierüber tatsächlich etwas schreiben möchte. Denke, ich mach’s diesmal kurz.
Mein ehrgeizigstes DIY-„Projekt“ war wohl, dass ich mich mit 19 entschieden habe, das Kind, das in mir heranwuchs, auch zur Welt zu bringen – ohne den dazugehörigen Vater, der sich mit 27 noch zu jung „für sowas“ gefühlt hatte und ohne sonstigen familiären Anschluss. Da war erst mal tatsächlich nur ich, grade 20 geworden und schon Mama. „Wenn Kinder Kinder kriegen …“, hör ich meinen damaligen Gynäkologen-Arsch noch sagen.
Klar, es gab es dann auch wieder einen Partner, Ehemann und fünf Jahre später auch ein weiteres Kind, aber erst mal musste dieses kleine Menschlein mit mir Vorlieb nehmen und auch, wenn es eine verdammt harte Zeit war und sicher manches anders gelaufen wäre, wäre ich nicht so jung alleinerziehende Mama gewesen, es war die beste Entscheidung meines Lebens.
Dass ich mal früh Mutter werden wollte, das wusste ich ohnehin schon sehr zeitig, eigentlich war es nicht wirklich verwunderlich, dass es so gekommen war. Ich wollte so schnell wie möglich“ alles besser machen“, als ich selbst es kennengelernt hatte und meine eigene kleine Familie gründen. Die, aus der ich stamme, hatte ich nie als solche empfunden, die Umstände hatten es einfach nicht hergegeben. In meinen Träumen war das zwar eher so das romantische Mutter-Vater-Kind-Hund-Eigenheim-Szenario, aber gut … Man kann nicht alles haben.
Und dann war da plötzlich dieses kleine Menschlein, für das ich Verantwortung trug und für das ich sorgen musste. Von dem ich genau wusste, dass es allein nicht würde überleben können – ich hatte meine Aufgabe und meinen Lebenssinn gefunden.
Für dieses winzige Wesen war ich wichtig und ich wurde gebraucht. – Endlich.
Trotz aller Widrigkeiten fühlte ich mich meiner Aufgabe gewachsen, es war einfach keine Frage, ob oder ob nicht – ab diesem Herbst 1995 gab’s kein Zurück mehr. Plötzlich konnte ich mich um allerhand Dinge kümmern, um die ich mich für mich allein nie gekümmert hatte. War vorher ja auch egal, was kümmerte mich dieses Leben schon …
Doch plötzlich war da eine Stärke und Motivation in mir, die mir völlig unbekannt war und von der ich bis heute nicht weiß, wo sie auf einmal hergekommen war. Zwar nie wirklich „für mich“ – aber für dieses Kind und das war ja wohl mehr als Grund genug.
Denke ich an meine damalige Situation zurück und betrachte das Ganze von außen, kann ich niemandem böse sein, der mir dazu geraten hat, dieses Kind nicht zu bekommen. Und doch war genau diese Entscheidung meine Rettung. Beide Töchter. Die Erstgeborene aber ganz besonders.
30 Jahre sind seither vergangen und ich denke, selbst dann, wenn ich es ihnen erzählte, würden meine Kinder nie begreifen oder nachfühlen können, welche Rolle sie in meinem Leben eingenommen und was sie bewirkt haben.
Zum damaligen Zeitpunkt war ich ein psychisches Desaster. Meine Gedanken kreisten seit früher Kindheit um kaum etwas anderes, als um die Suche nach einem möglichst sicheren aber doch bitteschön schmerzfreien Weg, aus diesem Leben zu scheiden – den ich mit 16 1/2 auch fast gefunden hatte.
Klinisch hatte ich bereits das Zeitliche gesegnet, doch die verrücktesten Zufälle hatten dafür gesorgt, dass man mich doch noch fand und mit ein paar beherzten Stromstößen wieder ins Leben beorderte – was ich immer als große Ungerechtigkeit und Strafe empfunden hatte.
Ab dem Moment, in dem ich wusste, dass ich ein Baby in mir trug, war die Option, mir das Leben zu nehmen, gestorben.
Was nicht heißt, dass ich mich trotz meiner Kinder nicht immer wieder danach gesehnt hätte, meine Geschichte hinter mir lassen zu können, aber mir war immer klar: Erst müssen die Kinder groß sein. Da musste jetzt durch.
Ich war häufig ziemlich verzweifelt, weil meine Psyche so sehr mit meinem Verstand im Clinch lag und habe nur wenige Zeit meines Lebens gern gelebt, aber egal – ich wusste, dass ich jetzt einfach nicht gehen konnte. Ohne es zu wissen, haben meine Kinder mir schon unzählige Male das Leben gerettet – ohne sie gäbe es mich schon lange nicht mehr, daran besteht kein Zweifel.
Ich habe mich schon oft gefragt, ob es für sie nicht besser gewesen wäre, ich hätte meiner Sehnsucht doch nachgegeben und ihnen so die Möglichkeit verschafft, in einem stabilen Umfeld aufzuwachsen, anstatt bei einer Psycho-Mama, die tagein tagaus darum kämpft, sich nicht anmerken zu lassen, wie schwer ihr dieses Leben fällt und auf ihrer Suche nach einem gangbaren Weg hindurch immer wieder mal die falsche Abbiegung wählt. Man weiß es nicht. In manchen Punkten wäre das sicher der Fall gewesen, in anderen wahrscheinlich auch wieder nicht.
Der Mensch neigt dazu, alles aus seiner eigenen Perspektive zu sehen und im Mangel zu denken. Wir sehen oft nicht das, was wir haben, sondern das, was fehlt und denken, wir würden es woanders sicher bekommen oder finden.
Die anderen haben sehr viel weniger Probleme, ein intaktes Elternhaus, das schönere Auto, die besseren Urlaube, die gemütlichere Couch, die schickeren Klamotten, den zuvorkommenderen Partner, mehr Kohle auf’m Konto und überhaupt das sehr viel schönere Leben.
Das Verrückte daran: Es wird immer jemanden geben, der genau das auch über dich denkt.
So unvorstellbar das vielleicht auch für dich sein mag.
Epilog dieser Geschichte
Seit fast zwei Jahren bin ich nun schon Oma eines zauberhaften kleinen Menschenkindes, das es nicht gäbe, hätte ich anders gehandelt. Ich habe Mann, Hund, Haus & Hof, gehe nur noch mickrige 15 Stündchen in einem sehr angenehmen Umfeld arbeiten und habe mir mit knapp 50 den Traum vom eigenen Buch erfüllt.
Ich glaube, es gibt kaum etwas, was mich wirklich aus der Bahn werfen oder gar zerstören kann und ich habe gelernt, dass das Leben, auch dann, wenn es so überhaupt gar nicht danach aussieht, nie gegen mich spielt, sondern letztlich immer nur für mich. Trotz all der Dinge, auf die ich so gern verzichtet hätte.
Ich bilde mir auf sehr, sehr wenig etwas ein und hadere nach wie vor mit allerhand Anteilen meiner Persönlichkeit, allerdings weiß ich, dass all das, was ich an mir mag, sich niemals auf diese Weise hätte entwickeln können, wenn meine Geschichte nicht genau so gewesen wäre, wie sie nun mal war und ich denke, in manchen Punkten kann ich eigentlich ganz zufrieden mit mir sein. – NEIN! Das „eigentlich“ kann weg (eines der unnützesten Worte überhaupt …) Ich bin zufrieden mit mir.
Trotz aller Mängel. Trotz aller Fehler.
Trotz all der Dinge, die ich so gern neu entscheiden würde, es aber nicht kann.
Mein Weg hat mich gelehrt, dass ich sehr viel mehr tragen kann, als ich mir vielleicht zugetraut hätte und dass Nächte, obwohl sie manchmal ewig anzuhalten scheinen, dennoch vorübergehen. – Um wiederzukehren. Und erneut zu vergehen. Und immer so weiter.
Das Leben ist ein stetiger Wandel und wir wandeln und verwandeln uns mit.
Ein ewiger Kreislauf und völlig natürlich. Wie ein Baum, der im Laufe der Jahreszeiten immer wieder in ein neues Gewand schlüpft. – Der Schmerz des Abschieds ist genauso Teil des Lebens, wie die Freude der Wiederkehr.
Häufig höre ich Dinge, wie: „Warum ausgerechnet ich/er/sie/es? Das ist nicht fair!“
Der Gedanke, das Leben müsse fair sein, ist für mich eine sehr abwegige, fast schon naive Sichtweise.
Wo beginnt diese „Fairness“?
Wenn nur die anderen leiden, ich aber nicht? – Bullshit!
Die Wahrheit ist:
Das Leben ist kein bisschen fair.
Ebenso wenig ist es unfair.
Das Leben kennt keine Fairness.
Es IST. Mehr nicht.
Oder hast du der Sonne schon mal vorgeworfen, unfair zu dir gewesen zu sein, weil sie dir den Pelz verbrutzelt hat? – Siehste …
Mein Weg hat mich geprägt, wie jeder andere Mensch durch den seinen geprägt wurde und weiterhin wird. Ob dieser nun leichter oder schwieriger war, macht für den Einzelnen genau genommen keinen Unterschied. Auf meiner Reise gab es sicher den ein oder anderen Stolperstein, über den du vielleicht gestolpert wärst, den ich dagegen mühelos übersprungen habe, ebenso, wie sich im Boden vor mir manchmal ein Loch aufgetan hat, das du spielend umschifft hättest, während ich kopfüber hineingestürzt bin.
Mein „Do it yourself“-Projekt hat mich dennoch die vermutlich wichtigste Lektion meines Lebens gelehrt:
Ich komme klar. Auch allein. Und was auch immer geschieht, es geht vorüber.
Wie oft mir dieser Gedanke in den vergangenen Jahrzehnten schon geholfen hat, kann ich gar nicht mehr zählen und ich bin so, so dankbar für dieses, woher auch immer stammende Vertrauen, dass das, was gerade geschieht, zu etwas Gutem führen wird. Was auch immer es sein mag und wann auch immer es mir begegnen wird.
Könnte ich ein einziges Gefühl unter der Menschheit verteilen, gut möglich, dass es dieses wäre.
Da fällt mir ein … Hast du schon mal von KINTSUGI gehört? Der japanischen Kunst, zerbrochenes Porzellan mit Gold zu reparieren und gerade durch das Betonen der Risse ein neues Kunstwerk zu erschaffen? Das kommt dem, was ich meine, recht nah. Nicht die Perfektion ist es, die ein Leben lebenswert macht.
Es ist die Art, wie wir mit dem umgehen,
was übrig bleibt, wenn wir zerbrechen.
Das soll’s nun aber auch gewesen sein.
Danke für’s Lesen und hab einen schönen Tag!
Rebecca
(die gerade an die ersten Worte dieses Posts denkt und mit den Augen rollt … 😉 )
Ach … Viele meiner Gedichte tragen diese Thematik in sich. Eines davon ist dieses hier.





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