Wenn Weihnachten anders verläuft, als wir es uns wünschen, wird dieses Fest manchmal zum Spiegel – und was wir darin sehen, schmerzt. Vielleicht ist Trost aber ja näher als wir denken. Oder um mit Rainer Maria Rilke zu sprechen: In den großen Himmeln steht ein Stern.
Heute ist Heiligabend.
Ein Tag, der sehr unterschiedlich begangen wird – aus bewusster Entscheidung oder weil sich einfach keine andere Wahl bietet.
Könnten wir, frei von allen bislang gemachten Erfahrungen, ein Weihnachtsfest feiern, wie es uns gefällt, wäre Weihnachten dann nicht einfach ein Raum, in dem nichts erklärt werden muss, ein Tisch, an dem man sitzen darf, ohne sich zusammenzureißen, Gespräche, die weder an der Oberfläche bleiben noch unter die Haut schneiden, Blicke, die sehen, ohne zu prüfen und Nähe, die wärmt, ohne zu fordern?
Wir würden uns wünschen, dass dieses Fest hält, was es verspricht:
Ankommen.
Dazugehören.
Einen Moment lang nicht allein sein, mit dem, was schwer war in diesem Jahr.
Und manchmal gibt es diese Momente sogar.
Ein Lachen, das echt ist.
Eine Umarmung, die hält.
Ein stiller Augenblick, in dem man denkt:
Aber oft ist Weihnachten etwas anderes.
Oft ist es ein Ort, an dem jeder in seine ihm zugedachte oder selbstgewählte Rolle schlüpft. Eine Zeit, die Gewohnheiten sichtbar macht, an die man sich nur einmal im Jahr erinnert. Ein Raum voller Erwartungen, die niemand ausspricht und doch alle erfüllen sollen – ein Fest, das Nähe verspricht und alte Wunden freilegt.
Man sitzt am Tisch und ist doch weit weg.
Man lächelt, obwohl man innerlich weint.
Man schweigt, um keinen Streit auszulösen.
Man spürt diese ambivalente Mischung aus Verbundenheit und Einsamkeit.
Für manche ist Weihnachten kein Heimkommen, sondern ein Aushalten. Für andere ein Erinnern an das, was nie da war oder nicht blieb. Und für wieder andere ein harter Kontrast zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
Wer so empfindet, hat häufig ein schlechtes Gewissen – ist es doch das Fest der Liebe und der Familie, da sollte man sich doch wohl mal zusammenreißen können.
Nein. Nicht um jeden Preis. Es ist auch dein Weihnachten und wenn in dir nichts leuchtet, kannst du auch nicht strahlen.
Weihnachten ist nicht nur ein Fest.
Weihnachten ist ein Spiegel.
Ein Spiegel, der zeigt, was fehlt.
Was weh tut.
Was man sich so sehr wünscht, aber nicht erzwingen kann.
Und dann kommt dieser stille Übergang.
Die Tage zwischen den Jahren, wenn der Trubel leiser wird und man plötzlich spürt, wie müde man eigentlich ist. Vielleicht allein. In dieser Zeit des Jahre wird die Stille besonders laut.
Vielleicht ist das aber auch genau die Zeit, in der man aufhören darf, irgendetwas „reparieren“ zu wollen oder einen Alltag zu leben, der einfach nicht existiert und stattdessen beginnt, anzuerkennen:
So war es. So ist es. Und so darf es sein.
So bleiben muss es aber nicht.
Heute ist heute. Mehr nicht. Was die Zukunft bringt, wissen wir nicht – niemand. Es genügt völlig, wenn wir uns die Option offenhalten, dass alles anders werden kann.
Diese Veränderung muss nicht pünktlich zum Jahreswechsel mit einem fulminaten inneren Feuerwerk beginnen. Sie darf ein kleiner Schritt sein. Ein Atemzug. Ein inneres Nach-Hause-Gehen zu sich selbst. Sich neben sich selbst setzen und einfach mal die eigene Hand halten. Sich selbst wahr- und ernstnehmen.
Wenn Weihnachten schmerzt, musst du nicht anderen zuliebe so tun, als sei „alles gut“. Vielleicht geht es dem Menschen neben dir ebenso und wie traurig ist doch die Vostellung, dass da zwei nebeneinandersitzen, die sich gegenseitig Trost spenden könnten, sich aber stattdessen nur noch stärker das Gefühl vermitteln, mit ihnen sei irgendetwas nicht in Ordnung – weil nur sie allein mit diesem Fest so maßlos überfordert zu sein scheinen.
Du musst nichts beweisen. Du musst nichts feiern, was sich nicht nach dir anfühlt. Es reicht völlig, dass du da bist – mit allem, was dieses Jahr aus dir gemacht hat.
Und vielleicht beginnt genau hier etwas Neues.
Etwas unperfekt Neues, das noch alle Möglichkeiten in sich trägt.
Vielleicht ist es kein leichtes Fest.
Vielleicht kein fröhliches.
Aber vielleicht ist es eines, an dem du dir erlaubst, dir selbst ein wenig näherzukommen.
Das wäre ein wahres Fest – und mehr als genug.
Zum Abschluss mal noch eine meiner Rilke-Rezitationen.
Weihnachten ist der stillste Tag im Jahr.
Liebe Grüße und ein gesegnetes Weihnachtsfest – was auch immer „Segen“ für dich gerade bedeutet.
Rebecca ♡





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