Über die Angst

Über Mut, Vertrauen und den Weg zu sich selbst

Es gibt Nächte, in denen nicht nur der Himmel sich verdunkelt. Nächte, in denen sich etwas in uns regt, das keinen Namen zu haben scheint, und doch so deutlich spürbar ist wie der eigene Atem.

Mal polternd, mal flüsternd – kaum wahrnehmbar, wie ein Schatten, der an der Wand entlanggleitet. Und so oft wir sie auch verjagen wollen, sie drängt sich immer wieder in den Vordergrund.

Das Beängstigende an der Angst ist, dass wir sie meist nicht verstehen. Weder, woher sie kommt, was sie von uns will, geschweige denn, was wir gegen sie unternehmen können ob sie es uns vielleicht verrät, wenn wir sie danach fragen?

Es fühlt sich anders an, ich weiß, doch die Angst will nicht unser Feind sein. Sie will uns schützen. Warnen. Und doch lähmt sie oft. Sie zieht uns hinunter in ein Gedankenmeer aus „Oh, mein Gott …” und “Was, wenn …?“

  • Was, wenn ich versage, nicht genüge?
  • Was, wenn ich abgelehnt werde?
  • Was, wenn mir die Zeit davonläuft?
  • Was, wenn ich mich blamiere?
  • Was, wenn … was auch immer.

Die Angst vor dem Scheitern, vor Ablehnung, vor Kontrollverlust – sie sitzt wie ein Kind auf der Bettkante und fragt nach Sicherheit, wo keine ist.

Und gerade am Abend, wenn die Nacht erwacht, erwacht auch unsere Sehnsucht nach Licht. Die Angst vor der Dunkelheit ist mehr als ein kindlicher Reflex – sie steht für unsere Angst vor dem Ungewissen. Vor dem, was wir nicht sehen und nicht verstehen können. Doch gerade dort, inmitten der Finsternis, beginnt meist auch der leise Wandel. Atemzug für Atemzug.

Es braucht keinen großen Sprung. Kein heroisches Durchhalten.
Es reicht ein kleiner Schritt. Ein bewusster Atemzug. Ein achtsamer Gedanke. Ein sanftes „Mir wird nichts passieren“. Und manchmal ist der einzige Weg hinaus aus der Angst, der durch sie hindurch.

Denn es gibt mehr als “Friss oder stirb” und “Flucht oder Kampf. Es gibt einen dritten Weg: das Dableiben. Das Aushalten. Das Fühlen.

Angst verliert ihre Macht, wenn wir aufhören, sie zu bekämpfen. Unser Nervensystem beruhigt sich nach wenigen Minuten von ganz allein vorausgesetzt, es bekommt die Möglichkeit, festzustellen, dass wir ja gar nicht gestorben sind, obwohl wir geblieben sind.

Wenn wir hinsehen, sie verstehen lernen – bestenfalls schon dann, wenn sie noch flüstert – wird sie sich von ganz allein zurückhalten. Sie möchte nur, dass wir sie sehen. Ihr zuhören. – Und sie hat in der Regel auch etwas Wichtiges zu sagen.

Sie ist der Seismograf in unserem Innern, der so sensibel eingestellt ist, dass er schon lange vor uns spürt, dass irgendetwas nicht ganz rund läuft.

Meist fragt sie uns nur:

Natürlich macht sie auch Fehler. Sie erinnert sich an frühere Situationen, die für uns mal nicht so optimal gelaufen sind und warnt uns, wenn sie irgendwo die Möglichkeit für ein ähnliches Dilemma ahnt. Sie meint es aber nur gut. Sie weiß nicht, dass wir heute ganz anders darüber denken, mehr gelernt haben, stärker geworden sind.

Und gerade diese Situationen sind es auch, die uns am meisten verunsichern – weil wir nicht den Hauch einer Ahnung haben, warum wir fühlen, was wir fühlen. Da braucht es eine ganze Menge Mut, um hinzusehen und den Dingen auf den Grund zu gehen.

Vielleicht ist Mut nichts anderes als der Moment, in dem wir uns entscheiden, trotz der Angst weiterzugehen. Augen auf und durch. Nicht blindlings, nicht halsbrecherisch – sondern mit zitternden Knien und pochendem Herzen.

Ja. Wir könnten fallen.

Vertrauen in uns und unsere Flügel kann aber nur entstehen, wenn wir die Lernerfahrung machen, dass wir ja doch in der Lage sind, zu tun, wovon wir dachten, wir wären es nicht.

Vertrauen ist keine Brücke, die bereits gebaut auf uns wartet.
Wir errichten sie im Gehen. Stück für Stück. Mit jedem Schritt ins Ungewisse.

Vertrauen in das Leben, in uns selbst, in den Wegauch wenn wir das Ziel noch nicht sehen. Die Angst will uns festhalten, und vor dem bewahren, was uns unterwegs eventuell begegnen könnte. Doch das Vertrauen lädt uns ein, weiterzugehen.

Vielleicht ist es an der Zeit, der Angst nicht länger auszuweichen.
Vielleicht ist es an der Zeit, ihr in die Augen zu sehen und zu sagen:

Hb einen schönen Tag – und mögest du deinen Weg finden. ♡

Rebecca | Schreibtrunken


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